Credits: Y-Kollektiv

Doch dafür müssen die Profi-Zocker viel opfern. Die Gamer leben in Team-WGs ohne Privatsphäre und trainieren bis zu 16 Stunden am Tag. Steffen Hudemann hat hinter die Kulissen des E-Sports in Taiwan geschaut und die Stars der Flash Wolves und der Wayi Spiders getroffen.

E-Sport - Das Leben der Profi-Computerspieler in Taiwan

Ich bin in Taiwan, einem kleinen Inselstaat in Ostasien. Hier sind Computerspiele so was wie Nationalsport. Als Reporter habe ich schon oft über Sport berichtet. Fußball, Basketball, Eishockey.
Über E-Sport noch nicht. Hier in Taiwan hat der Staat E-Sport als offizielle Sportart anerkannt. Kein Wunder, schließlich kommen viele unserer Smartphones und Laptops genau hier her.

„Ich fahre jetzt zum Garena E-Sport-Stadium. Das ist eine Halle, in der wirklich nur E-Sport stattfindet. Und heute Abend spielen die Flash Wolves, das sind echte Superstars in der Szene. Und ich bin gespannt, was ich da zu sehen kriege.“

Auf jeden Fall ist hier ganz schön was los! Die Halle ausverkauft, fast jedes Wochenende. „Was ich an diesem Spiel mag, ist, dass es sehr intensiv ist.“
„Für die Spieler ist das ein richtiger Job. Aber ich stelle mir vor, dass das total Spaß macht.“ „Bei League of Legends muss jeder Einzelne gut sein, aber auch das Team muss funktionieren.“

Gespielt wird vor allem League of Legends – das Fantasyspiel. Bei dem ohne Teamwork nichts geht. Zwei Mannschaften mit je fünf Spielern treten gegeneinander an. Es gibt Angreifer, Verteidiger, viel Taktik.
Das Ganze wird live kommentiert und übertragen. Und Hunderttausende schalten ein. Und das, finde ich, ist schon alles genauso wie bei anderen Sportarten auch.

„Ich muss gestehen, ich habe nicht jeden einzelnen Move kapiert. Aber im Großen und Ganzen konnte ich dem folgen. Die Leute gehen echt mit hier, das ist echt eine gute Stimmung. Und warum nicht? Man sich das angucken.“

Die Flash Wolves sind das beste Team in Taiwan und das beliebteste. Die Jungs nehmen sich nach dem Spiel Zeit für die Fans.
Sie sind so was wie das Bayern München des taiwanischen E-Sports. „Mario Götze, Manuel Neuer, Mats Hummels. Ne, aber mal im Ernst, diese Jungs das sind echt Superstars hier in Taiwan. Let’s go Flash Wolves! Sammlung hier, was haben wir hier denn noch? Starschnitt.“

Auf YouTube schaue ich mir die Erfolge des Teams an. Wie populär E-Sport international ist, das sieht man hier. Die Flash Wolves gehören zu den Teams, die mit den Weltmeistern aus Südkorea mithalten können. Preisgeld dort: mehr als 5 Millionen Dollar.

Ich bin auf dem Weg in die Stadt Taichung. Nach einigem hin und her habe ich bei den Flash Wolves einen Interview-Termin bekommen. Teammanager Zhang, oder 4leaf, wie er sich nennt, zeigt mir die Pokale. Im Frühjahr haben sie die IEM Masters, ein internationales Turnier in Polen, gewonnen. Die Jungs sind absolute Profis.
Zocken, das ist ihr Beruf. Überhaupt die Trainingsräume, und alles hier sieht super professionell aus. Und auch im Interview klingen sie für mich fast wie Fußball-Profis. Warum sie der Beruf begeistert, will ich wissen.
„Sag du. Ich kann sehen, dass du lieber was dazu sagen willst. Computerspielen ist mein Hobby und es ist mein Traum. Deshalb ist die Zeit, die ich dafür investiere, keine Verschwendung für mich. Ich tue das, was ich gerne mache.“

  • „Habt ihr einen Traum, den ihr erreichen wollt?“
  • „Ich will Weltmeister werden, Weltmeister bei League of Legends.“

Für dieses Ziel investieren die Eigentümer kräftig und auch von der Politik werden sie ernst genommen. „Seit zehn Jahren hat Taiwan gute Ergebnisse im E-Sport. Und seit dem letzten Jahr bekommen wir noch mehr Aufmerksamkeit von der Regierung. Wenn wir erfolgreich an internationalen Wettbewerben teilnehmen, dann bekommen wir inzwischen Glückwünsche der Präsidentin.“

Gute Spieler zu finden, ist nicht schwer, sagt der Manager. „In Taiwan haben die Jugendlichen nicht so viele Hobbys. Die bleiben eher zuhause vor dem Computer. Deshalb haben wir hier so viele gute Spieler.“

Schon beeindrucken, aber ich hätte gern noch mehr gesehen, noch einen Blick hinter die Kulissen geworfen. Doch dafür sind sie hier vielleicht schon zu professionell.
Ich bin wieder zurück in der Hauptstadt Taipeh. Denn ich habe eine Einladung von einem zweiten Team aus der League of Legends-Profiliga. „ich bin jetzt auf dem Weg zu den Wayi Spiders. Das ist eines der ältesten Teams hier in Taiwan. Und eines der ersten, die in Teamhaus hatten, also die alle zusammen in einem Haus leben, dort trainieren, arbeiten, essen, schlafen. Und die haben mich heute eingeladen, mal zu ihnen zu kommen. Es ist jetzt halb 10 ungefähr du die werde ich heute den ganzen Tag begleiten.“

Bei den Spiders beginnt gleich das Training. Die Spieler stehen gerade auf. Mau-mau ist Teammanagerin und kommt mir ein bisschen von wie die Herbergsmutter. „Wir haben acht Spieler hier. Die sind 24 Stunden am Tag zusammen.“

  • „Sie schlafen und leben hier dauerhaft?“
  • „Ja.“
  • „Ist das manchmal hart?“

„Ja, keine Privatsphäre. Aber das ist das Leben eines Profispielers. Ihre Privatsphäre müssen sie opfern.“
Schlafen, trainieren, schlafen. Alles für das Ziel Profi-Zocker. „Jetzt können wir sehen, wie die Spieler Solo Queue spielen. In der Solo Queue trainieren sie einzeln.“

Sie alle leben von ihrem Job. Die meisten Spieler verdienen zwischen 700 und 3000 Euro im Monat, die Top-Spieler auch mehr. Bei großen Turnieren gehen die Preisgelder in die Millionen. „Wenn jemand gut ist, bekommt er zunächst das Grundgehalt. Dazu kommt ein Bonus der Firma, Preisgelder von Turnieren und eventuell Geld von Sponsoren. Das ist richtig viel Geld.“

Jetzt will ich aber mal selber ran. Meine Spiele sind eher Fifa und MarioKart. League of Legends probiere ich heute zum ersten Mal. „Q, W, E, R.“. „Du musst hier auf die Karte klicken.“

  • „Wenn ich ihn sehen, muss ich schießen, oder wie?“
  • „Ja, schieß.“
  • „Funktioniert.“
  • „Achtung, geh nicht in den gelben Kreis, du wirst sonst vom Turm getroffen.“

Okay, ich gehe zurück. Oh nein, ich bin tot. Was glaubst du, wenn ich jetzt anfangen würde zu spielen, wie lange würde ich brauchen, bis ich mit euch spielen kann?

  • „Zwei Jahre.“
  • „Also, das ist richtig harte Arbeit?“
  • „Es ist einfach zu spielen, aber hart ein Profi zu werden.“

Aber auch für die, die es nicht ganz bis zur Spitze schaffen, gibt es Jobs. Ich besuche Ben. Er kommt aus Oklahoma, spricht fließend chinesisch und versucht sich in Taiwan als Streamer und Shoutcaster einen Namen zu machen. Das heißt, er kommentiert E-Spot-Spiele.
Und das zählt was hier. „Es ist wie ein Nationalsport in Taiwan. Du kannst zu einem Mädchen gehen und sagen: Ich lebe davon, League of Legends zu spielen. Sie glaubt die, oder vielleicht auch nicht, je nachdem, wie sehr sie sich mit dem Spiel auskennt.

Zum Beispiel hatte ich einmal ein Date mit einem Mädchen und ich hatte Fotos, die zeigten, dass ich mit den Flash Wolves arbeitete. Sie war dann echt verrückt nach mir. Wir sind in Kontakt geblieben.“ Ob das stimmt, keine Ahnung. Auf jeden Fall haben Computerspiele hier in Asien ein total positives Image. Und trotzdem sieht Ben einen Unterschied zu herkömmlichen Sportarten. Denn die Spiele gehören Software-Unternehmen. „

Das ist deren geistiges Eigentum. Und die behalten sich das Recht vor, jedes Spiel oder Turnier auch wieder zu stoppen. Wenn zum Beispiel die Firma Blizzard wollte, könnten die sagen: ESL, ihr dürfte keine Intel Extreme Masters mit Sarcraft oder Overwatch oder anderen Spielen mehr veranstalten.

„Und das ist ein großer Unterschied zu Baseball zum Beispiel, das kann jeder spielen.“

„Ganz genau. Ich nehme das immer als perfektes Beispiel. Die Baseball-Profiliga MLB kann Johnny und seinem Vater und allen seinen Freunden nicht verbieten Baseball auf einer Wiese zu spielen und das Ganz auf YouTube zu stellen.
Die haben nicht das Recht dazu, es zu verbieten, weil ihnen das Spiel Baseball nicht gehört. Solange ihre Logos nicht verwendet werden oder so. Aber das ist wie Patente und geistiges Eigentum heute funktionieren. Und das ist der Hauptunterschied zwischen E-Sport und herkömmlichen Sportarten.“

Zurück bei den Spiders. „Never give up!“ ist ihr Motto und das nehmen sie auch beim Training wörtlich. Seit Jahren zocken sie immer nur das eine Spiel. Einmal pro Woche gehen sie laufen, an zwei Tagen haben sie frei.
Den Rest der Zeit sitzen sie vor League of Legends, bis zu 16 Stunden am Tag. Nur so schafft man es in die absolute Spitze. Immer wieder die Spielzüge üben, und darüber diskutieren. „Also das Training hinter mir läuft jetzt seit ungefähr acht Stunden. Es ist jetzt 18 Uhr, um 19 Uhr haben die Jung angefangen. Und sind seitdem glaube ich noch nicht einmal aufgestanden. Vielleicht mal um aufs Klo zu gehen. Aber sonst gibt es hier ein Spiel nach dem anderen, dann wird diskutiert, wie jetzt gerade. Videoanalyse, Mannschaftsbesprechung, und dann gibt es das nächste Spiel. Also die sind hier unermüdlich. Ich werde langsam müde.“

Die Uhr tickt. Denn eine E-Sport-Karriere ist kurz. Sie jedenfalls unterbrechen ihr Training nicht mal zum Essen. Die meisten sind zwischen 17 und 22. Spätestens mit 25 ist man zu alt. Denn dann lässt die Reaktionsfähigkeit nach. Bis dahin wollen sie genug verdient haben. Der Druck ist riesig.

„Wie geht es dir nach acht Stunden Training?“

„Er hat nur ein Wort gesagt: Müde, kaputt. Er hat keinen Spaß mehr an dem Spiel. Für ihn ist es einfach ein Job.“

Mir reicht es jetzt. Sie werden hier noch bis Mitternacht vor dem Rechner sitzen. „Das ist echt ein harter Job.“

„Ja, auf jeden Fall. Ich habe mehr als 50 Spieler betreut in meiner E-Sport-Karriere. Manchmal frage ich mich, warum sie dieses Leben wählen. Sie müssen so viel trainieren, jeden Tag, jede Woche, jeden Monat, jedes Jahr. Immer wieder das gleiche Spiel spielen. Manchmal tun sie mir richtig leid. Aber das ist ihre Entscheidung.“

Davon kriegen die Fans hier nichts mit. Sie kommen, um ihren Idolen zuzusehen und zuzujubeln. Die Flash Wolves haben es geschafft. Sie spielen in der Weltspitze, reisen viel, verdienen ziemlich viel Geld und sind in Taiwan Berühmtheiten. Doch das schaffen nur die wenigsten. Aber ist das in anderen Sportarten anders? Vieles beim E-Sport ist ganz genauso wie in anderen Sportarten auch, beim Fußball oder beim Basketball. Die Spieler trainieren superhart, die Ligen sind echt professionell organisiert. Und das Publikum hier geht richtig mit. Und letztlich ist es beim E-Sport genauso wie bei jedem anderen Leistungssport auch: Es gibt auch seine Schattenseiten.

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